TOTUS TUUS, MARIA !

ADVENTSBETRACHTUNG

Kurzbetrachtung von der Herrin aller Seelen inspiriert

an Myriam van Nazareth

Advent: Das Jahr neigt sich seinem Ende zu. Um die Seelen herum tut sich die dunkelste Zeit des Jahres kund. Nicht zufällig weckt der Schöpfer in dieser dunklen Zeit auch in den Seelen guten Willens eine Verschärfung bzw. Vertiefung der Empfindung der eigenen Finsternis. Diese Zeit lädt zu einer seelischen Reise zur Geburt des wahren Lichtes ein, und die Seele, die begriffen hat, wo der wahre Sinn und Zweck und die einzige Bestimmung dieses irdischen Lebens liegen, weiβ, dass Gott sie nun für die Erkenntnis der eigenen Verfassungen zu erschlieβen versucht.

Bewusstwerdung der Finsternis in sich und um sich herum, soll nur eins bezwecken: In der Seele soll der Wunsch reifen und wachsen, die eigene Finsternis bewusst und freiwillig in das Göttliche Licht hinüberflieβen zu lassen. In der heiligen Nacht der Geburt Christi gebiert die makellose heiligste Jungfrau den Gott-Menschen, die Verkörperung von Gottes Licht, damit Es Sich jeder Seele guten Willens ungeteilt verschenkt und mit ihr eins wird. Gott sehnt Sich danach, eins mit Seinem Geschöpf zu werden. Das Licht 'verleibt jeden Schatten ein', damit sich dieser völlig auflöst. Die vollendete Liebe sucht ihre absolute Verwirklichung in demjenigen, das schwach und mangelhaft ist. O Göttliches Mysterium, o unfassbare Liebe...

Gerade dies zeigt, wie sehr diese Zeit eine Zeit der Einladung an die Seele ist, durch beharrliche, vielseitige Anstrengungen die Liebe in sich zu vervollkommnen, damit in ihr wahrhaftig das Licht geboren wird. Es würde Gott nur eine bedingte Freude bereiten, wenn die Geburt des Lichtes in der Seele einzig und allein auf einem Geschenk Seinerseits basieren sollte. Die Freude des Schöpfers wird erst dort vollkommen, wo eine Seele diese Geburt gleichsam 'von innen heraus' zustande bringen hilft, dadurch, dass sie das Licht, das sie bereits ansatzweise (als kaum erschlossene Kraft) in sich – in ihrem Keim der Heiligkeit – trägt, durch eigene Sehnsucht nach Vollendung ihrer Berufung als Kind Gottes, tatsächlich anzünden hilft. Die Sehnsucht nach der Vollendung als Kind Gottes ist der alles beherrschende Wunsch nach Heiligung, nach Anwendung von Gottes Gesetzen in allen Einzelheiten des Alltags, in jeder Handlung, in jedem Wort, in jedem Gedanken, in jedem Gefühl. Die Seele, die sich nach Vollendung sehnt, öffnet sich völlig und ganz dem Strom des Göttlichen Lebens, das ihr Tag für Tag aus Gottes Herzen zuflieβt. Sie trinkt dieses 'Wasser Göttlichen Lebens' und speichert es in sich so begierig, dass es sie vollkommen erfüllt, bis... sie gleichsam nur noch aus diesem Wasser besteht. Diese Seele verwandelt sich in einen üppig blühenden Garten, in dem sogar jeder Schatten den Werken und Plänen Gottes dient, bis auch er sich völlig ins Licht verliert.

So kann die Seele den Advent zu einer Zeit der inneren Umgestaltung werden lassen. In dieser Zeit der Umwandlung vervollkommnet sich in der Seele die wahre, selbstlose Liebe – die Quelle des wahren Lebens, der Heiligkeit, der sich unendlich vervollkommnenden Tugendhaftigkeit. Die wahre Liebe ist der Magnet, der die Seele zum Licht hin ziehen muss, zum Licht, aus dem sie hervorgekommen ist und in dem ihre ewige Bestimmung liegt.

Sobald sich die Seele nach dem Licht sehnt, wird sie sich erst recht ihrer eigenen Finsternis bewusst. Die wahre Beseelung und die richtige Aufgeschlossenheit für eine hemmungslose Hingabe an die Himmlische Führung auf dieser Reise zum Licht hin, zeigt sich darin, dass die Erkenntnis von der eigenen Unzulänglichkeit, von den eigenen Schatten und dunklen Stellen, die Seele nicht lähmt, sondern sie aufwachen lässt und sie dazu anregt, über sich selbst hinauszuwachsen. Sie spürt allmählich (oder plötzlich) ihre eigene Kursänderung im Vergleich zum Kurs, der ihr von Gottes Vorsehung zwecks Erfüllung ihrer Lebensaufgabe gesetzt worden ist.

So wird die Adventsreise zum Licht der Geburt Christi mithin zu einer Entdeckungsreise durch die Landschaft der eigenen Seele. In dem Maβe, wie der Wille zur Erschlieβung der eigenen Fähigkeiten, sich in ein richtiges Kind Gottes zu verwandeln, das ganze Leben und die ganzen inneren Verfassungen beherrscht, wird die Seele künftighin vom Willen getrieben, ihre eigene Finsternis zu brechen und deren Wirkungen in sich und um sich herum zu bändigen.

Die Finsternis kann sich nicht selber in Licht verwandeln. Dazu bedarf sie der Einstrahlung des Göttlichen Lichtes, damit sie in dieses Licht aufgenommen werden kann. Dasjenige, wonach sich die Seele wirklich und aufrichtig sehnt, kann sie zustande bringen. Diese Fähigkeit lebt in ihr als das Göttliche Vermächtnis, das ihr vor der Erbsünde zuteilwurde. Dieses Vermächtnis ist der Seele nie genommen worden, es hat sich nur unter der Schlammschicht der Sünde und der Staubschicht der gottfeindlichen weltlichen Einflüsse begraben lassen. Um das Licht Gottes tatsächlich in sich auftrinken und sich allmählich mit ihm verschmelzen zu können, muss in der Seele eine vollkommene Offenheit und Empfänglichkeit für Gottes Gaben und ein Sehnen danach vorherrschen, erschlossen zu werden, ähnlich dem Boden, der sich gegen Ende des Winters nach der Frühlingssonne und den sanften Regentropfen der Gnade sehnt, damit Gottes Intelligenz seine Fruchtbarkeit erschlieβen kann.

Licht heiβt Wahrheit, Weisheit, Fülle der Wirklichkeit ohne die Beimischungen der Täuschung, der Verirrung und der Versuchung. Licht heiβt Verheiβung der Vollendung des wahren Lebens, Verwirklichung der Heiligung als letztendliche Bestimmung der Lebensreise. Licht heiβt die Blüte des Ewigen Frühlings. Licht heiβt Sieg über die Finsternis und seine verheerende, Elend bringende Auswirkung auf all dasjenige, was sich in der Seele von Natur aus nach der Gegenwart der Ewigen Liebe und der Glückseligkeit sehnt. Licht heiβt vor allem Sehnsucht danach, Gottes Willen genauestens zu vollbringen. Diese Sehnsucht ist es, die aus einer Seele eine 'Seele guten Willens' macht. Christus wird das alles in den Boden der Seele guten Willens säen durch Sein Kommen in der heiligen Nacht der Geburt der Erlösung. Noch ist es dunkel, aber soll nicht die Seele zunächst durch die Tiefe der Nacht wandern, damit sie das Licht des Morgens richtig schätzen kann? Ist Gottes Gegenwart denn irgendwo besser spürbar als dort, wo der Atem des Heiligen Geistes die erstickende Atmosphäre der Luft des Kerkers unserer inneren Finsternis ersetzt?

In der ersten Hälfte der Reise zur Geburt des Lichtes in der Grotte unserer Seele erinnert uns der Schöpfer an die Unbefleckte Empfängnis Seiner vollkommen heiligen Königstochter, in der Er die Allmacht des Lichtes über die Finsternis in der Fülle strahlen lässt. Er lässt diese Allmacht erst recht dadurch leuchten, dass Er diese Macht in Seinem Meisterwerk, der Unbefleckten Jungfrau, einer erschaffenen Seele, zusammenballt. Im Mysterium der Unbefleckten Empfängnis lässt der Allerhöchste erkennen, dass, wenn Gott die Gelegenheit bekommt, Seine Macht voll zu entfalten, sogar ein Geschöpf so vollkommen vom reinsten schattenlosen Licht erfüllt werden kann, dass in jenem Geschöpf nicht die geringste Spur der Finsternis Wurzeln schlagen kann. In diesem Geschöpf blüht ja der alles beherrschende Wille, mit dem Licht vereint zu bleiben und der Saat der Finsternis jede Nahrung zu verweigern.

Die Unbefleckte Empfängnis war die absolute Bedingung damit Maria Mutter des Erlösers werden kann, ist allerdings auch eine groβe Einladung Gottes an die Seelen, ihre Finsternis in diese erschaffene Verkörperung Seines Lichtes aufnehmen zu lassen in diesem wundervollen Göttlichen Geheimnis, das uns als vollkommene Weihe an Maria bekannt ist. Finsternis, die dem Licht preisgegeben wird, löst sich in diesem Licht auf. Die Seele, die ihre Finsternis bewusst, freiwillig und in aufrichtigem Sehnen nach Umgestaltung mit der Unbefleckten Empfängnis teilt, kann Schritt für Schritt von ihrer Finsternis befreit werden.

Genauso wie sich die Natur in dieser Jahreszeit nach Ruhe und Stille sehnt, obliegt jeder Seele die Aufgabe, sich in die Stille und Besinnlichkeit des eigenen Herzens zurückzuziehen, denn Gott macht Sich nur in einem Herzen bemerkbar, in dem Er etwas vom Frieden des Himmels wiederfinden kann. Wichtig ist dabei an erster Stelle der Wille der Seele, es in sich still – das heiβt, möglichst frei von inneren Stürmen – werden zu lassen. Durch jede Neigung der Seele, laut und ausgiebig mit ihrem Umfeld in Verbindung zu treten, verlegt sie den Mittelpunkt ihrer Empfindung nach auβen, und entfernt sie sich vom Ort wo Gott, das Licht, die Liebe auf sie wartet.

In der Seele wird im Advent die Wiege für die Geburt Christi, des Lichtes, vorbereitet. Das Christkind wird dort geboren werden, wo die Mutter zuhause ist, und Es wird dort aufwachsen und leben, wo Es frei Seine Wunder wirken kann. Diese Bedingungen werden vor allem in der Seele erfüllt sein, in der Maria thront und gehegt wird, und in der sich alle Menschlichkeit freiwillig der Umwandlung preisgibt und sich voll in den Dienst an Gottes Plänen und Werken stellt. Die Ernte ist auf keinem Acker üppiger als auf dem, in welchem die Himmlische Saat die Vermählung mit dem Willen zur Fruchtbarkeit für das Ewige Leben eingeht.

Myriam, im Dezember 2012